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Flucht ins Ungewisse - Bahar im Wunderland
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Flucht ins Ungewisse – Bahar im Wunderland
 
Didaktische Hinweise
Flucht und Migration sind Urthemen der Menschheit. Beinahe jede Kultur kennt im Laufe ihrer eigenen Geschichte mehr oder weniger ausgeprägte Wanderbewegungen. Zugleich zählen diese Themen zu den brennendsten politischen Herausforderungen der Gegenwart und nehmen sowohl in der medialen Berichterstattung als auch in der öffentlichen Diskussion breiten Raum ein. Dabei ist eine starke Emotionalisierung zu beobachten, bei der sich kontroverse Haltungen schroff gegenüberstehen. Während viele Stimmen betonen, dass Europa Verantwortung trage für Flüchtlinge, denen jegliche Grundlagen für ein menschenwürdiges Leben fehlen, sehen andere in den wachsenden Flüchtlingsströmen eine Gefahr, gegen die es sich abzuschotten gelte. Politische Lösungen sind dringend erforderlich, scheiterten bisher aber nicht zuletzt an der Komplexität der Problematik.
Flucht und Migration hängen unmittelbar mit der Dynamik der Globalisierung zusammen. Sie erzeugt Kreisläufe, in denen sich scheinbar voneinander unabhängige globale Probleme gegenseitig bedingen. Die Flucht in reiche Länder erfolgt oftmals aus Gründen, die diese Länder selbst (mit) zu verantworten haben: durch die ungerechte Verteilung von Reichtum und Armut (die 400 reichsten Familien der Welt haben ein höheres Einkommen als die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, also 3 Milliarden Menschen), durch Nachwirkungen des Kolonialismus, durch Waffenlieferungen oder durch die rücksichtlose Ausbeutung der Lebensgrundlagen in den sogenannten „Entwicklungsländern“ durch internationale Konzerne. Die globale Ungleichheit wird dabei nicht nur zementiert, sondern verschärft sich zunehmend. Viele Flüchtlinge kämpfen um das nackte Überleben, wenn sie versuchen, Arbeit, Grundversorgung und ein besseres Leben für ihre Familien zu finden. Für sie ist die Flucht nach Deutschland, Frankreich oder die USA oft die einzige Perspektive. In den Zielländern stoßen sie jedoch auf hohe bürokratische Hürden, häufig auch auf Hass und Diskriminierung – obwohl die Lebensweise eben dieser Industriegesellschaften zu einem großen Teil dafür verantwortlich ist, dass Menschen zur Flucht aus ihren Herkunftsländern gezwungen sind.
 
Adressaten
Allgemeinbildende Schulen (Klasse 6-13), Kinder- und Jugendbildung (1-18 Jahre), Erwachsenenbildung
 
Bezug zu Lehrplänen und Bildungsstandards
Die Schülerinnen und Schüler
  • berichten von eigenen Fremdheitserfahrungen und nehmen Flüchtlinge bzw. Fremde in ihrem Lebensbereich wahr;
  • befassen sich mit den politischen Dimensionen von Flucht, Migration und Asyl, diskutieren über deren Gründe und ordnen sie in den Kontext der Globalisierung ein;
  • gewinnen – auch in Bezug auf die mediale Berichterstattung – eine differenzierte Haltung gegenüber der Thematik und werden sich ihrer Komplexität bewusst;
  • reflektieren ihre eigene Haltung gegenüber Flüchtlingen und Fremden;
  • fühlen sich empathisch in die Situation von Flüchtlingen ein und erfahren Gefühle wie Angst, Überforderung, Orientierungslosigkeit und Sprachbarrieren;
  • vergleichen Fluchtsituationen in Vergangenheit und Gegenwart;
  • beziehen das Thema Flucht auf Menschenrechte und Menschenwürde;
  • setzen sich mit der biblisch-christlichen Haltung gegenüber Flüchtlingen auseinander;
  • analysieren und interpretieren einen Kurzfilm und beziehen ihn auf die Flüchtlingsthematik.

 

Inhalt und Einsatzhinweise
Eine Behandlung des Themas im Unterricht sollte darauf abzielen, der Komplexität des Themas gerecht zu werden. Sinnvoll ist ein sachlich-kritischer Zugang, der eindimensionale Perspektiven vermeidet. Zugleich soll aber auch Raum für Mitgefühl, Empathie und Respekt gegenüber den Menschen bleiben, die aus der schieren Not heraus bereit sind, ihr Leben (und das ihrer Familien) aufs Spiel zu setzen, um Armut, Krieg und Verfolgung zu entkommen.
Der Film „Bahar im Wunderland“, Träger des Deutschen Menschenrechts-Filmpreises 2014 in der Kategorie Bildung, möchte diesen Zugang unterstützen. Geprägt von einer ausdrucksstarken und berührenden Bildsprache spielt der Film mit den gegensätzlichen Polen von Vertrautheit und Verfremdung. Er lässt die Zuschauer Gefühle am eigenen Leib erfahren, die das Leben vieler Flüchtlinge prägen – Angst, Überforderung, Orientierungslosigkeit, Behördenwillkür, Sprachbarrieren. Zugleich zeigt „Bahar im Wunderland“ aber auch eine märchenhaft-geheimnisvolle Welt, in der die Protagonistin auf Dinge und Menschen trifft, die ihr vertraut erscheinen und es doch nicht sind. Das reale Leid und die Entwurzelung, mit denen Flüchtlinge tagtäglich und weltweit konfrontiert sind, werden angedeutet, bilden aber mehr den Hintergrund der Geschichte. Das offene Ende gibt keine fertigen Antworten, sondern lässt – dem Thema entsprechend – viele Fragen bewusst offen. Durch diese Offenheit bietet der Film zahlreiche Ansatzpunkte, um Themen wie Flucht, Asyl und Menschenwürde im Unterricht anzusprechen.
Ergänzend zum Film liegt umfangreiches Zusatzmaterial vor. Das Interview „Fragen an Behrooz Karamizade (Regisseur)“ enthält viele Impulse zu den Hintergründen des Films und seiner Deutung (vgl. auch Arbeitsblatt 2). Die Bildergalerie „Flucht: Gestern und heute“ zeigt zwölf Flucht-Szenen aus dem 19., 20. und 21. Jahrhundert und will zum Nachdenken darüber anregen, welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Vergangenheit und Gegenwart bestehen (vgl. auch Arbeitsblatt 6). Die Arbeitsblätter greifen die Flucht-, Asyl- und Migrationsthematik umfassend und differenziert auf und bieten so die Möglichkeit zu einer fundierten Vertiefung. Sie können vollständig und chronologisch bearbeitet werden, aber auch als Materialsammlung genutzt werden. Da sie sowohl im PDF-Format als auch im doc-Format (MS Word) vorliegen, kann die Lehrkraft diese nach eigenem Ermessen bearbeiten und ggf. umgestalten.
„Bahar im Wunderland“ ist ein fiktionaler Kurzfilm, in dem eine Vielzahl an Themen anklingen. Die Arbeitsblätter möchten dieser thematischen Fülle Rechnung tragen und lassen sich daher allesamt sowohl auf den Film als Ganzes als auch auf die einzelnen Sequenzen beziehen. Der Übersichtlichkeit halber sind die Kommentare zu den Arbeitsblättern getrennt aufgeführt (s. u.). Die Lehrkraft kann so schnell auf den Kommentar zu dem jeweils behandelten Arbeitsblatt zugreifen, in dem sich Hinweise zum Einsatz der Aufgaben im Unterricht und zu möglichen Ergebnissen finden.
 
 
Film
Bahar im Wunderland (Film 17 min)
„Bahar im Wunderland“ erzählt die Geschichte von zwei Menschen auf der Flucht. Das Mädchen Bahar und ihr Vater sind auf illegalem Weg nach Deutschland gelangt und versuchen nun „unsichtbar“ zu bleiben. Bahar verrät ihrem Vater ein Geheimnis: Um unsichtbar zu werden, müsse man nur die Augen schließen. Doch der will nichts von solchen Kindereien wissen und ermahnt seine Tochter zur Vorsicht.
Am Frankfurter Hauptbahnhof muss Bahar auf die Toilette. Während ihr Vater vor dem Gebäude wartet, wird er von zwei Polizisten kontrolliert und schließlich verhaftet. Als das Mädchen zurückkehrt, ist ihr Vater verschwunden. Auf der Suche nach ihm begibt sie sich auf eine Odyssee durch das nächtliche Frankfurt. Dabei begegnet sie Kaninchen im Park, trifft eine seltsame Bauchtänzerin mit Perücke und wird mit Kriegsbildern konfrontiert, die schmerzhafte Erinnerungen wachrufen. Schließlich wird sie von Polizisten aufgegriffen.
Auf der Polizeiwache trifft sie ihren Vater wieder, der sie glücklich in die Arme schließt. Bahar besteht darauf, dass man mit geschlossenen Augen unsichtbar sei. Daraufhin schließt sie ihrem Vater die Augen und blickt voller Sorge in sein Gesicht. Wie es für die beiden Flüchtlinge weitergehen wird, bleibt offen.
  • Arbeitsblatt 1: Flucht, Asyl, Migration
  • Arbeitsblatt 2: Filmanalyse „Bahar im Wunderland“
  • Arbeitsblatt 3: Migration und Flucht im Spiegel der Kunst
  • Arbeitsblatt 4: Situation in Deutschland
  • Arbeitsblatt 5: Flucht global
  • Arbeitsblatt 6: Geschichte der Migration
  • Arbeitsblatt 7: Flucht und Migration in der Bibel
  • Arbeitsblatt 8: Shaun Tan: „The Arrival“
 
 
Filmsequenzen
Ankunft (Filmsequenz 4:40 min)
Bahar, ein ungefähr zehnjähriges Mädchen, befindet sich mit ihrem Vater im Wald. Der Mann rasiert sich den Bart ab und vergräbt Kleidung. Kurze Zeit später kauern die beiden in einem Lieferwagen. Das Mädchen schließt die Augen.
Am Frankfurter Hauptbahnhof angelangt, teilt der Vater seiner Tochter mit, dass sie es nun fast geschafft hätten, sie sich aber unter allen Umständen unauffällig verhalten müssen. Bahar erzählt ihm von einem Weg, um unsichtbar zu werden: Man müsse einfach die Augen schließen und an einen anderen Ort denken. Ihr Vater hat jedoch keine Zeit für solche Kinderspiele und hält sie zur Wachsamkeit an.
Als Bahar dringend auf die Toilette muss, schickt er sie alleine dorthin und wartet vor dem Gebäude. Während Bahar innen fasziniert beobachtet, wie sich eine Mutter und ihre Tochter die Haare zurechtmachen, nähern sich draußen zwei Polizisten. Sie sprechen Bahars Vater auf seinen Ausweis an, was dieser nicht versteht. Vergeblich versucht er zu erklären, dass sich seine Tochter Bahar noch in der Toilette befindet. Während er ihren Namen ruft, führen die Polizisten ihn ab.
 
Getrennt (Filmsequenz 8:50 min)
Bahar hört die Rufe ihres Vater nicht. Als sie die Toilette verlässt, ist er spurlos verschwunden. Ratlos sucht sie den ganzen Bahnhof ab, kann ihn jedoch nirgends finden. Als es Abend wird und sich erneut Polizisten nähern, läuft Bahar davon. Sie gelangt zunächst in einen Park, in dem sie Kaninchen sieht. Daraufhin bleibt sie vor einem orientalischen Restaurant stehen. Durch das Fenster sieht sie eine dunkelhaarige Frau beim Bauchtanz, die dem Mädchen einen freundlichen Blick zuwirft. Als die Tänzerin sich später in der Garderobe umzieht, schleicht sich Bahar dort hinein und blickt die Frau stumm an. Freundlich bietet sie dem Mädchen etwas zu essen an. Während Bahar hastig isst, nimmt die Tänzerin ihre Perücke vom Kopf. Als Bahar die darunter liegenden blonden Haare sieht, reagiert sie schockiert und flüchtet. Sie kommt vor einem Schaufenster zum Stehen, in dem auf zahllosen TV-Geräten Kriegsbilder flimmern. Nach einem Moment der Starre läuft sie erneut davon und wird schließlich von Polizisten aufgegriffen. Bahar schließt die Augen.
 
Vereint (Filmsequenz 2:00 min)
Die Polizisten bringen Bahar aufs Revier. Mit geschlossenen Augen wartet Bahar vor einer Zelle, aus der ihr Vater heraustritt. Glücklich schließt er Bahar in seine Arme – er hatte sie verloren geglaubt. Bahar flüstert ihrem Vater ins Ohr, dass der Trick funktioniere: Er müsse nur die Augen zumachen und schon sei er unsichtbar. Sie schließt ihrem Vater die Augen und schaut ihn sorgenvoll an. Vor ihnen liegt eine ungewisse Zukunft.
 
Film
Fragen an Behrooz Karamizade (Regisseur) (Film 18 min)
Der Regisseur Behrooz Karamizade erläutert im Interview mögliche Deutungen von „Bahar im Wunderland“ sowie die Hintergründe des Films. Zunächst geht er auf Handlung und Figuren ein. Karamizade führt aus, was es mit dem Begriff „Wunderland“ auf sich hat und weshalb er einen stark bildorientierten Ansatz gewählt hat. Nachdem er dargelegt hat, welche Entwicklung Bahar im Laufe des Film durchläuft und inwieweit es sich bei „Bahar im Wunderland“ um ein modernes Märchen handelt, erzählt er von den biografischen Hintergründen des Films, seinen eigenen Erfahrungen in Deutschland und die Bedeutung des Begriffs „Heimat“ für ihn. Das Interview endet mit Hintergründen zu Filmentstehung und Dreharbeiten sowie dem Beitrag, den „Bahar im Wunderland“ für die Debatte um die globale Flüchtlings-Problematik leisten kann.
  • Arbeitsblatt 2: Filmanalyse „Bahar im Wunderland“
 
Bildergalerie
Flucht: Gestern und heute (12 Bilder)
Die Bilder beinhalten Impressionen von Flüchtlingen aus Vergangenheit und Gegenwart. In Verbindung mit der jeweiligen Überschrift zeigen sie ausschnittartig Menschen, Orte, kulturelle Hintergründe und Motive, die mit Flucht in Verbindung stehen. Abgedeckt wird dabei ein Zeitraum von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur unmittelbaren Gegenwart.
  • Arbeitsblatt 6: Geschichte der Migration
 
Kommentar zu den Arbeitsblättern
 
Arbeitsblatt 1: Flucht, Asyl, Migration
Das Arbeitsblatt bietet einen unmittelbaren, von der Erfahrungswelt der Lernenden ausgehenden Einstieg in die Thematik. Jede/r hat sich schon einmal fremd gefühlt und war unsicher, wie er/sie sich verhalten soll. Aufbauend auf diesem rudimentären Zugang werden sowohl die Grundbegriffe „Migration“, „Flucht“, „Asyl“ definiert als auch die eigene Familiengeschichte untersucht. Daran anknüpfend werden die Lernenden an mögliche Gründe für eine Flucht oder Auswanderung herangeführt. Abschließend analysieren sie die Darstellung der Themen Flucht und Migration in den Medien.
Die unterschiedlichen Aspekte, die auf dem Arbeitsblatt angesprochen werden, dienen auch dazu, sich der eigenen Vorprägungen durch Familie, Umfeld, Erfahrungen und Medienkonsum bewusst zu werden und begreifen, dass die Thematik oftmals viel näher ist, als man meint. Idealerweise sollte das Arbeitsblatt am Anfang der Unterrichtseinheit stehen und noch vor dem Film eingesetzt werden.
 
Arbeitsblatt 2: Filmanalyse „Bahar im Wunderland“
In einem ersten Schritt werden die unmittelbaren Eindrücke der Zuschauer nach dem Ansehen des Films thematisiert. Dabei sollen die unterschiedlichen Wahrnehmungen und (positive wie negative) Reaktionen zur Sprache kommen. In einem zweiten Schritt wird der Film in einer arbeitsteiligen Gruppenarbeit in seinen verschiedenen Aspekten – formal wie inhaltlich – analysiert. Medienkonsum, besonders der Konsum des Mediums Film, geschieht oft passiv, ohne das Gesehene zu hinterfragen. Durch die Aufgaben soll eine mündig-kritische Auseinandersetzung mit dem Kurzfilm angeregt werden, die das eigene Wahrnehmungsvermögen schärft. Ergänzende Materialien und Literatur zum Thema Filmanalyse finden sich beispielsweise auf der Seite „Film und Schule“ des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen: http://www.filmundschule.nrw.de/Unterrichtsmaterialien_Literatur. Abschließend werden die Lernenden dazu angeregt, sich mit dem Filmtitel, einzelnen Szenenbildern und dem offenen Schluss auseinanderzusetzen.
Zahlreiche Impulse zur Deutung und zu den Hintergründen des Films bietet der Zusatzfilm „Fragen an Behrooz Karamizade (Regisseur)“. Er kann gewinnbringend nach der Bearbeitung des Arbeitsblattes herangezogen werden und das Unterrichtsgespräch um weitere Aspekte bereichern.
 
Arbeitsblatt 3: Migration und Flucht im Spiegel der Kunst
Das Arbeitsblatt illustriert die künstlerische Auseinandersetzung mit den Themen Migration und Flucht anhand mehrerer Beispiele. Zunächst soll die Skulptur „The Immigrants“ des Künstlers Luis Sanguino interpretiert und in einem zweiten Schritt mit der amerikanischen Freiheitsstatue verglichen werden. Die beiden Kunstwerke können als unterschiedliche Sinnbilder zum Thema Einwanderung gedeutet werden: „The Immigrants“ als realistische Darstellung des Kampfes und des Ausgeliefertseins, mit dem sich Immigranten seit jeher konfrontiert sahen; die Freiheitsstatue demgegenüber als stolzes Symbol für das Selbstbewusstsein der Einwanderer auf die Suche nach einem besseren Leben. In diesem Kontext kann auch zur Sprache kommen, dass man sich im deutschsprachigen Raum häufig schwer damit tut, zu einem positiven Bild von Einwanderung zu gelangen. Dem kann der „amerikanische Ansatz“ gegen-übergestellt werden, wo der Umgang mit dem Thema Einwanderung – schon allein aufgrund der eigenen Geschichte – weniger angstbesetzt ist.
Die Aufgaben 4 und 5 beschäftigen sich mit Flucht und Migration als Themen in der Literatur. Das Gedicht „Emigrantenmonolog“ von Mascha Kaléko aus dem Jahr 1945 bietet viele Ansatzpunkte für eine Interpretation und leitet zu einer Weiterführung des Themas im Deutschunterricht über, beispielsweise anhand der Exilliteratur des 20. Jahrhunderts. Die Karikatur in Aufgabe 6 zeigt die Zwiespältigkeit einer Gesellschaft, die einerseits selbst durch Flucht geprägt wurde, andererseits jedoch Flüchtlinge ablehnt. Bildlich umgesetzt wurde dieser Sachverhalt durch die ablehnenden Gesten der etablierten Bürger und ihre rückwärtigen „Flüchtlingsschatten“.
 
 
Arbeitsblatt 4: Situation in Deutschland
Arbeitsblatt 4 nimmt die Situation in Deutschland in den Blick. Nach einer Recherche zu den Kriterien, die für einen Asylantrag in Deutschland erfüllt sein müssen, analysieren die Lernenden eine Statistik zur Entwicklung der Asylanträge seit der Nachkriegszeit. Informationen zu der gezeigten Statistik und weitere Statistiken, die alternativ verwendet werden können, bietet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in seiner Infothek (http://www.bamf.de/DE/Infothek/Statistiken/statistiken-node.html). Neben Rechercheaufgaben, Textanalyse und kreativen Aufgaben zu den Themen Asyl und Einwanderung in Deutschland (Aufgaben 3–5) wird auch zum Besuch eines Asylbewerberheims angeregt (Aufgabe 6). Auch wenn dies mit einigem Aufwand verbunden ist, kann der direkte Kontakt der Lernenden zu Asylbewerbern und der Realität ihres Alltags ein eindrückliches und nachhaltiges Erlebnis werden, das dazu geeignet ist, Vorurteile abzubauen und Verständnis für die Menschen anzubahnen.
 
Arbeitsblatt 5: Flucht global
Arbeitsblatt 5 geht auf den globalen Aspekt der Flüchtlingsthematik ein. Nach einer Aufgabe zur Be-griffsklärung geschieht dies auf spielerischerem Wege über das von der UNHCR entwickelte Online-Spiel „Last Exit Flucht“. Es ist im Internet verfügbar (http://www.lastexitflucht.org/againstallodds) und lässt die Lernenden eine fiktive Flucht mit anschließendem Integrationsprozess durchlaufen. Die verschiedenen Situationen, denen man im Spiel ausgesetzt ist, werden auf dem Arbeitsblatt aufgegriffen und eingeordnet. Weiterführend gibt es auf der Webseite des Spiels vertiefendes Arbeitsmaterial, das bei Bedarf hinzugezogen werden kann.
Das Arbeitsblatt greift im Anschluss zwei Statistiken auf. Sie zeigen, aus welchen Ländern Flüchtlinge stammen und welche Länder sie in welcher Zahl aufnehmen. Auffällig ist dabei die geringe Aufnahmebereitschaft großer Länder wie China oder den USA, während deutlich kleinere Staaten wie der Libanon oder Jordanien ein Vielfaches an Flüchtlingen aufnehmen. Nach einer Textanalyse setzen sich die Lernenden mit einem Foto auseinander, das es bis auf den Titel des TIME-Magazins geschafft hat. Es verdeutlicht auf besonders plastische Weise das Aufeinanderprallen westlichen Wohlstands mit dem Elend der Flüchtlinge. Zu sehen sind marokkanische Flüchtlinge auf dem von der Presse so betitelten „Zaun der Schande“ in der spanischen Enklave Melilla. Sie haben es im Morgengrauen nicht rechtzeitig über den Zaun geschafft und werden von der Grenzpolizei gezwungen, kurz vor dem Ziel wieder umzukehren. Ungerührt von dem Schauspiel spielen zwei elegant gekleidete Menschen direkt vor dem Zaun Golf.
 
Arbeitsblatt 6: Geschichte der Migration
Arbeitsblatt 6 beschäftigt sich mit der historischen Dimension von Migration. Es kann auch im Rahmen einer interdisziplinären Beschäftigung mit dem Thema im Geschichtsunterricht eingesetzt werden. Aufgabe 1 erschließt in arbeitsteiliger Gruppenarbeit vier Beispiele: die irische Auswanderungsbewegung in die USA im 19. Jahrhundert; die mittelalterliche Ostsiedlung; die innerdeutsche Auswanderungswelle aus der DDR in die BRD zwischen 1949 und 1961; die Auswanderung Deutscher nach Brasilien im 19. und 20. Jahrhundert.
Anhand der Bildergalerie „Flucht: Gestern und heute“ soll die geschichtliche Perspektive auf das Thema Flucht auch visuell greifbar werden. Die Lernenden suchen nach Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschieden zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Dabei sollen die eigenen Bilder im Kopf hinterfragt werden: Afrikaner in Schlepperbooten sind nicht identisch mit „Flüchtlingen“, sondern ein zeitbedingtes Phänomen der Gegenwart. Zu anderen Zeiten sahen Flüchtlinge anders aus, hatten andere kulturelle Hintergründe und andere Motive für die Flucht. Mit den unterschiedlichen Flucht- und Migrationsbewegungen der Geschichte lohnt es sich daher auch unter dem Aspekt zu beschäftigen, die eigene Gegenwart besser zu verstehen. Dies kann anhand des Rechercheauftrags (Aufgabe 2b) vertieft werden.
 
Arbeitsblatt 7: Flucht und Migration in der Bibel
Die Bibel enthält viele Geschichten, in denen von Flucht und Migration erzählt wird. Eine Auswahl findet sich auf Arbeitsblatt 7. Die wohl berühmteste Familie der Bibel – Jesus, Maria und Joseph – bietet einen naheliegenden Ansatzpunkt für die Lernenden. Diese sollen erkennen, dass es sich bei Jesus und seiner Familie selbst um Flüchtlinge handelt. Daraus ergeben sich auch Konsequenzen für die Rolle der Kirche in der Gesellschaft, weshalb in Aufgabe 2 das Kirchenasyl, das bis heute in Deutschland Anwendung findet, aufgegriffen wird. Über die Recherche zu Kirchenasylfällen sollen sich die Lernenden an ganz konkreten Beispielen nicht nur mit der Botschaft des Christentums, sondern auch mit der ethischen Aufgabe der Kirche auseinandersetzen. Fallbeispiele finden sich z. B. auf der Seite www.kirchenasyl.de, die von der ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“ betrieben wird. Zur weiteren Vorbereitung der Lehrkraft auf das Thema im Unterricht empfohlen sei auf selbiger Seite der Beitrag von Fanny Dethloff: „Gott ist der Fremde – Wie die Bibel als Buch der Migranten und Flüchtlinge gelesen werden kann“, erschienen in: zeitzeichen – Evangelische Kommentare zu Religion und Gesellschaft, Ausgabe 12/2013 (http://www.kirchenasyl.de/?portfolio=gott-ist-der-fremde-wie-die-bibel-als-buch-der-migranten-und-flüchtlinge-gelesen-werden-kann).
 
Arbeitsblatt 8: Shaun Tan: „The Arrival“
Arbeitsblatt 8 setzt sich mit der besonderen Bildsprache des Zeichners Shaun Tan auseinander. Der Künstler hat die Fluchtgeschichte seiner eigenen Familie aufgearbeitet und ausgehend von den Erzählungen seiner Großeltern eine Graphic Novel gezeichnet, die gänzlich ohne Sprache auskommt. Die daraus entstandene Geschichte mit ihren eindrücklichen Bildern vermittelt den Lernenden – obwohl hier nur in kleinen Ausschnitten abgedruckt – ein unmittelbares Gefühl dafür, wie sich Menschen fühlen, die in eine für sie fremde Welt hineingeworfen werden – abgefertigt und herumgereicht, ohne Kontrolle über die Situation erlangen zu können. Neben der Interpretation der Comic-Ausschnitte in Aufgabe 2 beschäftigen sich die Lernenden in der kreativ angelegten Aufgabe 1 mit den Gesichtern von Flucht und Migration. Den Zeichnungen liegen Original-Fotoaufnahmen aus der Aufnahmestelle von Ellis Island in New York zu Grunde und erzählen vielfältige Geschichten.
Das Arbeitsblatt kann auch im Rahmen einer interdisziplinären Bearbeitung im Fach Deutsch verwendet werden. Bei Interesse kann der Bildband auch über die Ausschnitte hinaus im Unterricht besprochen werden, ggf. in Form von Gruppenarbeiten oder arbeitsteiligen Kurzpräsentationen.
 
 
 
 
 
Produktionsangaben
 
Flucht ins Ungewisse – Bahar im Wunderland
 
Produktion
FWU Institut für Film und Bild, 2015
 
Konzept
Sebastian Freisleder
 
Arbeitsmaterial
Teresa Modler
 
Bildnachweis
akg-images
Living Pictures Production
Reuters
UNHCR
Wikimedia Commons
 
Pädagogischer Referent im FWU
Sebastian Freisleder
 
 
 
Produktionsangaben zu den Filmen
 
Bahar im Wunderland
 
Produktion
Living Pictures Production, 2013
 
Regie
Behrooz Karamizade
 
Produzent
Jörn Möllenkamp
 
Kamera
Michel Unger
 
Musik
Kayhan Kalhor
Erdal Erzincan
 
 
Interview mit dem Regisseur Behrooz Karamizade
 
Produktion
Living Pictures Production, 2015
 
Interview
Sebastian Freisleder
 
Kamera
Jörn Möllenkamp
 
Ton
Aliaksei Paluyan
 
Aufnahmeleitung
Miriam Steen
 
Animation
Sandro Japaridze
 
 
 
Nur Bildstellen/Medienzentren:
öV zulässig
 
© 2015
FWU Institut für Film und Bild
in Wissenschaft und Unterricht
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